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Interkommunalität als Alleinstellungsmerkmal

(C) Günter Wicker
(C) Günter Wicker, FBB

Interview mit Antje Girschick (†) aus dem Dezember 2023

Frau Girschick war seit 2015 Geschäftsführerin der BADC und führte seit 2017 erfolgreich die Geschäfte der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Dialogforum Airport Berlin Brandenburg. Sie hat sich außerordentlich für Umwelt und Naturschutz in der Flughafenregion eingesetzt. Ihr enormes Fachwissen gepaart mit ihrer Offenheit, Zuverlässigkeit und ihrem großen Engagement werden uns fehlen. Am 23. Januar 2024 verstarb sie völlig überraschend. Wir veröffentlichen ein Interview mit ihr, das wir im Dezember 2023 geführt haben.

 

Die BADC ist seit 2018 „Geschäftsführendes Mitglied“ des Dialogforums. Was bedeutet das konkret? Was sind die Aufgaben der BADC in diesem Zusammenhang?

Ohne Sie langweilen zu wollen, zum Einstieg ein kurzer Abriss der rechtlichen Grundlagen. Das Dialogforum hat als „Kommunale Arbeitsgemeinschaft“ (KAG DF) keine rechtliche Selbständigkeit, d.h. es kann keine Rechtsgeschäfte abwickeln wie z.B. Aufträge auslösen, Verträge abschließen oder Personal einstellen. Die Rechtsfähigkeit kann jedoch von einem geschäftsführenden Mitglied, einer Gemeinde, einer Stadt, einem Landkreis oder einer GmbH übernommen werden. Diese Funktion hat die BADC ab 1. Januar 2018, nach Beschlussfassung der Gesellschafter und Mitglieder, übernommen. Details regelt ein Vertrag zwischen der KAG DF, der BADC und der FBB GmbH (FBB). 

 

In diesem Vertrag ist sicher auch die Finanzierung geregelt? 

Genau, darin ist unter anderem dieses entscheidende Thema geregelt. Die FBB stellt dafür jährlich 215.000 Euro netto zur Verfügung. Mit Hilfe dieser Mittel haben wir eine Geschäftsstelle aufgebaut und eine Referentin eingestellt. Über die Geschäftsstelle organisieren wir alle Sitzungen und Veranstaltungen, bereiten Verträge vor, aber auch Aufträge, Wirtschaftspläne und Verwendungsnachweise. 

 

Was macht die BADC ansonsten? Auf der Website steht, sie unterstütze Unternehmensansiedlungen im Flughafenumfeld durch „fachspezifische Beratung im Naturschutz- und Bauplanungsrecht (Eingriffsregelung)“. Das klingt sperrig. Könnten Sie diese Beschreibung bitte mit Leben füllen? Was sind beispielsweise konkrete Projekte?

Ich versuche es... Die BADC wurde bereits 2001 nach dem Vorbild der Schiphol Area Development Company (SADC) in Amsterdam mit dem Unternehmensgegenstand der „Verbesserung der wirtschaftlichen, infrastrukturellen und ökologischen Entwicklung der BER-Flughafenregion“ gegründet. Daher auch der Name BADC.

 

Die Abkürzung steht für Berlin-Brandenburg Area Development Company.

Genau. Mit einem entsprechenden financial background könnten wir theoretisch sehr viel mehr Aufgaben übernehmen als die etwas sperrig formulierten auf der Website. Sie sind nicht nur sperrig, sondern auch unverständlich – insbesondere für internationale Investoren (sie lacht). Ich komme gleich noch einmal darauf zurück. Ich habe mit der Übernahme der Geschäftsführung der BADC 2015 versucht, einen Businessplan zu entwickelt, der die Finanzierung des Unternehmens längerfristig sichert. Ich hatte wenig Lust, meine Arbeits- und Lebenszeit mit der Beantragung von Fördermitteln und Vereinbarungen zur Zahlung von Gesellschafterzuschüssen zu verbringen. Wir brauchten ein „Produkt“, das auf dem Markt nachgefragt wird. Unser hervorragendes Alleinstellungsmerkmal ist die „Interkommunalität“, die durch die Struktur der Gesellschafter begründet wird: Zwei Landkreise, vier Städte und acht Gemeinden sind Gesellschafter der BADC. Was liegt da näher, als interkommunale Projekte umzusetzen?!

 

(c) Günter Wicker, FBB

Die BADC bieten daneben aber auch Beratungen im Naturschutz- als auch im Bauplanungsrecht an. Wie kam es dazu? 

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren intensiv sowohl mit den Grundlagen des Baurechts als auch mit denen des Naturschutzrechts. So entstand die Idee, eine Beratung sowohl im Naturschutz- als auch im Bauplanungsrecht anzubieten, gekoppelt mit der Vermittlung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus unserem interkommunalen Flächenpool, der parallel aufgebaut wurde. Mit Zustimmung der Gesellschafter wurde diese Idee in die Tat umgesetzt und ist heute die Haupteinnahmenquelle der BADC. 
 

Noch einmal zurück zur „Sperrigkeit“. Ließe sich das nicht einfacher vermitteln?

Die Eingriffsregelung ist im Baugesetzbuch verankert und bedeutet, dass Bauherren, die mit der Errichtung von Gebäuden ja logischerweise in den Boden eingreifen, damit verbundene negativen Auswirkungen für den Boden ausgleichen müssen. Damit bewegen wir uns im Naturschutzrecht und Bodenschutzrecht. Diese Zusammenhänge sind rechtlich kompliziert, greifen in Privatrecht und öffentliches Recht ein und es geht natürlich auch um Geld, manchmal um viel Geld, zur Finanzierung der Maßnahmen. Wir begleiten Investoren und/oder Bauherren durch den Paragrafen-Dschungel, der nun mal sperrig ist, und bieten gleichzeitig Ersatzmaßnahmen aus unserem Interkommunalen Flächenpool an.
 

Was bedeutet „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“?

Die Zusammenfassung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nennt man Kompensationsmaßnahmen. Ein Bauherr muss seine Baumaßnahme kompensieren. Wenn er beispielsweise in Schönefeld baut, kann er durch uns auf Entsiegelungsmaßnahmen in Blankenfelde-Mahlow zurückgreifen. Aber auch Streuobstwiesen- und Heckenprojekte, Waldumbau- und Artenschutzprojekte werden sehr gut nachgefragt. 

Worauf legen Sie bei der Auswahl Wert?

Mir ist es sehr wichtig, dass die Projekte langfristig und nachhaltig umgesetzt werden. In der Regel schließen wir Verträge mit den Flächeneigentümern zur Bewirtschaftung der Maßnahmenflächen und beauftragen Firmen im Flughafenumfeld mit der Planung und Umsetzung der Ersatzmaßnahmen. So können wir durch die Bereitstellung von genehmigten und teilweise bereits umgesetzten Kompensationsmaßnahmen zur Investitionsbeschleunigung beitragen, die Gelder bleiben in der Region, die Ökosystemleistungen werden gesteigert, zugleich verbessern wir die Erholungsfunktion im Flughafenumfeld.
 

Warum braucht es dazu eine Institution wie die BADC?

Weil wir Maßnahmen aus einem Interkommunalen Flächenpool vermitteln und spezielle Themen zur Eingriffsregelung über Gemeindegrenzen hinweg steuern. Die Gesellschafter könnten in ihren Verwaltungen diese Aufgaben im Rahmen ihrer Bauleitverfahren und Baugenehmigungsverfahren auch selbst übernehmen, dies wäre jedoch viel aufwändiger und der unmittelbare Effekt mit direktem Bezug zum Bauvorhaben ginge verloren. Beispielsweise bin ich sehr froh darüber, dass wir mit unseren Leistungen dazu beitragen konnten, dass Genehmigungen für Schulneubauten in Ludwigsfelde erteilt wurden. Aus dem Interkommunalen Flächenpool haben wir dafür Waldumbauprojekte bereitgestellt.
 

Wie passt das wiederum mit dem Dialogforum zusammen?

Das passt sehr gut zusammen, da sich die Aufgaben und Ziele z.B. die kommunale Standort- und Strukturentwicklung, der Interessensausgleich und die Entwicklung und Umsetzung interkommunaler Infrastrukturmaßnahmen ergänzen. Das eingangs erwähnte Alleinstellungsmerkmal der BADC wird von der KAG DF noch getoppt. Ich spreche von der Mitgliedschaft der Länder Berlin und Brandenburg, der FBB und dem Landkreis Oder-Spree. Infrastrukturprojekte scheitern oft an administrativen Grenzen. Die KAG bietet eine große Chance, diese zu überwinden, da sie Landkreisgrenzen- und Ländergrenzen übergreifend agieren kann. 

 

(c) Günter Wicker, FBB

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Ich bin sehr froh, dass es keinen typischen Arbeitstag für mich gibt, jedoch Aufgaben, die ich regelmäßig erledigen muss. Dazu zählt der E-Mail-Check. Anfragen von Investoren, die schnell mal Kompensationsmaßnahmen benötigen, weil sonst die erhoffte Baugenehmigung nicht erteilt werden kann, bringen dann schon mal den Tagesablauf der Firma durcheinander. Ganz wichtig sind für mich tägliche Abstimmungen mit den Mitarbeitenden zur Ablauforganisation. Dann gibt es noch Post- und Unterschriftsmappen und den täglichen Blick auf die Firmenkonten. Seltener verbringe ich meine Zeit mit Rechtstreitigkeiten, die jedoch nie ganz ausbleiben.

 

Was motiviert Sie persönlich? Was lieben Sie an Ihrem Job vor allem?

Mich motivieren Gespräche und Verhandlungen mit Vertragspartnern und das Vertrauen der Gesellschafter. Ich bekomme eine Bestätigung, dass die von der BADC angebotenen Leistungen nachgefragt werden und zielführend sind. Mit jeder Projektumsetzung hinterlassen wir einen bleibenden Wert für Mensch und Natur. Auch Anfragen von Flächeneigentümern, die nicht bauen wollen, sondern nach Möglichkeiten und Ideen suchen, wie sie ihre Flächen ökologisch aufwerten können, motivieren mich. Sie wollen nicht in „Regenwaldprojekte“ investieren, sondern suchen nach Möglichkeiten vor der Haustür. 

Ich liebe an meinem Job die Vielfältigkeit, die dafür notwendige Kreativität und die direkte Verbindung zur Projektrealisierung. Dafür trage ich sehr gern die Verantwortung.