Interview mit Aletta von Massenbach
„Meine Vision von der Flughafenregion“
Aletta von Massenbach ist Geschäftsführerin der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Sie kam im September 2020 als Kaufmännische Geschäftsführerin zur FBB und ist seit Oktober 2021 Vorsitzende der Geschäftsführung.
Frau von Massenbach, Sie leiteten Flughafenprojekte unter anderem auf den Philippinen und in Puerto Rico, später führten Sie die Flughäfen in Varna, Burgas und Antalya. Welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten gibt es dort in der Interaktion zwischen dem Flughafen und den umliegenden Gemeinden?
Egal, auf welchem Kontinent sich ein Flughafen befindet, er hat immer eine besondere Wirkung auf die Menschen, die in seinem Umfeld leben und arbeiten, sowie auf die gesamte Region. Flughäfen sind immer auch Schaufenster zur Welt und bedienen spezifische Sehnsüchte, unabhängig von ihrem Standort.
Ich hatte das Glück, an vielen Orten der Welt Flughafenprojekte umsetzen zu dürfen. Das Zusammenspiel von Flughafen und Umfeld ist standortabhängig durchaus differenziert. In Varna zum Beispiel reicht die Geschichte des Flughafens über einhundert Jahre zurück, dementsprechend ist er stark verankert und wird in der dortigen Gesellschaft akzeptiert.
Ähnliches gilt für den Standort in Antalya, durch den die Türkei in den 60er Jahren überhaupt erst auf der internationalen Tourismuslandkarte auftauchte. Heute wird fast die Hälfte aller touristischen Flüge in der Türkei über Antalya abgewickelt. Mit starken positiven Effekten für die generelle Konnektivität - und mit wirtschaftlicher Bedeutung für das ganze Land.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Der Flughafen ist hier wie dort Taktgeber für die Entwicklung einer Region und hat somit maßgeblichen direkten Einfluss auf sein Umland in einem positiven Wechselspiel. Verstanden wird er daher von seinen umliegenden Kommunen überwiegend als Chance, als Jobmotor und Wirtschaftstreiber – trotz intensiv geführter Fluglärmdebatten.
Denn Fakt bleibt, dass ein Flughafen für eine wirtschaftliche Entwicklung der Region steht, die ohne ihn nicht ansatzweise eingetreten wäre.
Insofern ist mir auf meinen Stationen im Ausland immer Akzeptanz und Wertschätzung für eben diesen Ort der Konnektivität und unsere Arbeit entgegengebracht worden.
Gab es an den vorherigen Flughäfen Vergleichbares wie das Dialogforum? Wie gemeinschaftlich und kooperativ war dort der Umgang?
Nicht in der organisierten Form wie bei uns, nein. Ein Austausch zwischen Region und Flughafen findet dennoch regelmäßig statt. Sei es zum Beispiel durch gezielte Personalakquise in den umliegenden Kommunen oder durch Unterstützung für verschiedene Vorhaben der einzelnen Anrainerkommunen. Der Umgang war geprägt von einem Miteinander und dem Verständnis, die Region gemeinsam zu entwickeln. Uns allen ist doch klar: Flughafen ohne den Rückhalt seiner Region, das kann nicht funktionieren.
Was war das Erste, das Sie über das Dialogforum gehört haben? Hat sich Ihr Bild seither gewandelt?
Durch meine unterschiedlichen Tätigkeiten in der Luftfahrt waren mir die regionalen Dialogforen in Frankfurt und Wien, der Nachbarschaftsbeirat in München, aber eben auch das hiesige Dialogforum als Bündnis am Boden ein Begriff. Richtig wahrgenommen habe ich es aber erst nach meiner Ankunft am BER im Jahr 2020, als das Dialogforum sich gerade aus einem losen Verbund emanzipiert und als Kommunale Arbeitsgemeinschaft neu aufgestellt hatte. Ich fand damals die Bestrebungen hin zu mehr Verbindlichkeit interessant und richtig. Ich denke, seit Beginn im Jahr 2007 wurde vieles erreicht: Sowohl bei Fragen rund um den Fluglärm, aber auch generell zur Entwicklung der Region. Strategische Rahmensetzungen wie das gemeinsame Strukturkonzept als eine Art Leitbild für die Region oder die vielen konstruktiven Abstimmungen zum Schallschutzprogramm wären ohne das Dialogforum sicher nicht zu Stande gekommen.
Wie sehen Sie die Chancen für die Kommunen durch die weitere Entwicklung des Flughafens?
Ich sehe vor allem die Chancen (lacht). Schauen wir auf Brandenburg: Während alle anderen Bundesländer im Halbjahresvergleich 2022/23 beim Bruttoinlandsprodukt mit keinerlei Wachstum aufwarten konnten, waren es bei uns 6 Prozent. Wir sind der dynamischste Raum in Ostdeutschland, mit Arbeitsmarktzahlen, wie sie sich vor 20 Jahren, als hier Schulen geschlossen und Wohnungen zurückgebaut wurden, niemand vorstellen konnte. Das ist enorm. Neben dem Tesla-Effekt – der ohne den BER auch nicht denkbar wäre – ist auch die Luft- und Raumfahrt ein starker Treiber für die Region. Das macht uns stolz und gibt Mut für die anstehenden Aufgaben.
Ich schaue dabei nicht nur direkt auf die angrenzenden Kommunen, sondern vielmehr auf die gesamte Hauptstadtregion sowie auf den Korridor von Adlershof bis hinunter in die Lausitz. Wenn es uns gelingt, hier eine Art Musterraum für Mobilität, Forschung und Wissenschaft zu etablieren, wäre das großartig.
Der Flughafen unterstützt nicht nur das Dialogforum, sondern fördert auch eine Vielzahl von Projekten in der Umlandarbeit – was ist Ihnen hierbei besonders wichtig?
Unsere Umlandarbeit zielt darauf ab, die Region voranzubringen und zu unterstützen, wo immer es geht. Besonders wichtig ist mir dabei, wirklich nachhaltig zu wirken - also Projekte und Institutionen zu fördern, die auch einen Mehrwert für die Region darstellen. Ein besonderes Projekt würde ich bei fast 200 Projekten, die wir im vergangenen Jahr unterstützt haben, gar nicht explizit herausgreifen wollen. Wir engagieren uns seit über 15 Jahren in der Region und werden das auch weiterhin tun. Dass uns dabei Förderungen für junge Menschen besonders am Herzen liegen, dürfte in der Region hinreichend bekannt sein.
Was wollten Sie dem Dialogforum schon einmal ins Stammbuch schreiben? Wofür schätzen Sie uns?
Ich schreibe niemandem etwas ins Stammbuch. Das steht uns nicht zu. Im praktischen Alltag gibt es auch diametrale Auffassungen. So ist das eben unter Nachbarn. Dennoch muss der Dialog konsensorientiert und fair geführt werden - „Flughafen-Bashing“ wird keinem weiterhelfen. Der Flughafen wird auch nicht wieder verschwinden. Wir wollen an gemeinsamen Lösungen arbeiten, zum Beispiel beim Thema Emissionen: Den Fluglärm werden wir nicht vollständig auf null fahren können, das ist jedem klar. Die Branche generell tut aber viel dafür, das Fliegen nachhaltiger zu gestalten und Lärmbelastungen zu verringern.
Hierfür einen strukturierten Dialog organisieren und immer wieder eine Vielzahl von Akteur:innen an einen Tisch holen, das ist von unschätzbaren Wert. Genau dafür ist das Dialogforum als überregionales, anerkanntes Gremium richtig und wertvoll.
Was könnten wir besser machen?
Ich denke, der interkommunale Ansatz ist zielführend. Der muss aber auch gelebt werden. Eine Region, die gesamtheitlich gedacht wird, und in der die Arbeit nicht an der Kreisgrenze Halt macht, ist für mich das Paradebeispiel.
Woran es mir manchmal fehlt, ist eine erkennbar klare und stetige Ausrichtung, ein einheitliches Profil. Praktisch gedacht: Geht es eher darum, einen Raum für Austausch zu schaffen und Radwege zu bauen, oder kann das Gremium vielmehr zu einer Art Schlüsselinstanz werden, wenn es um die ganzheitliche Entwicklung unserer Region geht.