Bürgermeister Christian Hentschel zur Verlängerung der U7
„Ein erheblicher Gewinn für Mobilität ohne Auto.“
Wie kommen Sie morgens zur Arbeit?
Ich komme mit meinem Dienstfahrzeug zur Arbeit, ein Elektrofahrzeug, weil ich mit dieser Technik auch Vorbild sein möchte.
Könnten Sie denn mit der U-Bahn fahren, wenn die U7 verlängert würde?
Das bietet sich auf meinem Weg nicht an. Ich wohne in Schönefeld, Ortsteil Großziethen. Die angedachte U-Bahnverbindung soll vom U-Bahnhof Rudow weiter gehen durch das Frauenviertel und Schönefeld-Nord, dann weiter zu den Terminals 1 und 2. Sie führt leider nicht an Großziethen vorbei.
Wie ist denn der Stand der Dinge bei der Verlängerung der U7?
Als ich Ende 2019 die Amtsgeschäfte aufnahm, war es mir als parteilosem, jungen Bürgermeister gelungen, noch im Jahr 2020 die sogenannte Allianz U7 mit namhaften und bedeutenden Unterstützerinnen und Unterstützern zu gründen. Zur ersten Sitzung kamen unter anderen Landrat Stephan Loge, Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel sowie Bundes- und Landtagsabgeordnete der Region. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey konnte leider nicht selbst kommen, hat sich aber vertreten lassen. Bei diesem ersten Gespräch haben wir die Strategie besprochen, wie wir weiter vorgehen.
Wie sind Sie dann weiter vorgegangen?
Die Berliner Senatsverwaltung hat eine Machbarkeitsstudie beauftragt, die die baulichen Umsetzungsmöglichkeiten einer Verlängerung der U7 bis zur Landesgrenze Berlin-Brandenburg und weiter bis zum Bahnhof Schönefeld und zum BER untersuchen sollte. Vor dem Hintergrund der Verbesserung der Verkehrssituation rund um den BER beteiligten sich das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung und die Gemeinde Schönefeld an der Finanzierung der Untersuchungsabschnitte auf Brandenburger Seite.
Aus den Ergebnissen erwuchs eine Hausaufgabe für die Gemeinde Schönefeld, nämlich zu klären, wie die Trassen laufen sollen. Dazu habe ich mich zu Beginn des Jahres mit der Flughafengesellschaft und dem Landkreis abgestimmt. Seit Mai liegt meine Stellungnahme im Infrastruktur-Ministerium vor.
Was haben sie geantwortet?
Eine schriftliche Antwort habe ich noch nicht erhalten. Zurückliegend war mir aber volle Unterstützung sowohl aus dem Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung als auch dem Finanz- und dem Innenministerium signalisiert worden.
Was sind die nächsten Schritte?
Ich habe alle Entscheiderinnen und Entscheider im November ins Rathaus eingeladen, um gemeinsam abzustimmen, wer sich an einer Beauftragung für die jetzt notwendige Nutzen-Kosten-Analyse beteiligt. Dazu gehören die Regierungschefs der Länder Berlin und Brandenburgs, aber auch Vertreter der Landkreise sowie der Flughafengesellschaft und Berliner Verkehrsbetriebe. Hoffentlich klappt es, und wir können gemeinsam beraten, wie wir die Kosten für die Nutzen-Kosten-Analyse aufteilen, damit wir sie so schnell wie möglich beauftragen können.
Wie viel kostet eine solche Nutzen-Kosten-Analyse?
Sie kostet etwa 150.000 Euro.
Warum braucht es die Analyse?
Zum einen ist sie zwingend für eine mögliche Bundesförderung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Zum anderen müssen wir uns grundsätzlich die Frage stellen, ob man so eine Strecke wirtschaftlich betreiben kann. Jetzt warte ich auf hoffentlich viele Zusagen zu dem Gespräch, damit wir da einen Schritt weiterkommen.
Es ging los mit der Machbarkeitsstudie. Dann kommt die Nutzen-Kosten-Analyse, was käme als nächstes?
Zunächst ist noch zu klären, wer die Aufgabenträgerschaft für die U7 in Brandenburg übernimmt. Der nächste Schritt wäre dann eine gemeinsame Beantragung möglicher Fördermittel - immer vorausgesetzt, dass die Analyse ergibt, dass diese Verlängerung zwingend erforderlich ist und auch wirtschaftlich betrieben werden kann. Grundsätzlich sind bis zu 75 Prozent Förderung möglich. Wenn wir von der teuersten Variante ausgehen, kostet die Verlängerung der U7 rund 800 Millionen Euro. Bei 75 Prozent Förderung verbleiben Anteile von 200 Millionen Euro. Auch das ist noch viel Geld, aber wenn sich die Länder den Betrag teilen und weitere Partner sich noch einbringen, dann werden die finanziellen Anteile immer kleiner. Das wissen viele nicht.
Wann werde ich frühestens mit der U7 zum Flughafen fahren können?
Dafür müssen wir die notwendigen Verfahrens- und Entscheidungswege einkalkulieren. Das Projekt ist länderübergreifend, was es nicht einfacher macht, es geht zudem um Bundesmittel, die beantragt werden müssen und so weiter. Da würde ich vier Jahre kalkulieren. Mit einer sportlichen Prognose meinerseits müssen wir mindestens, reine Bauzeit, weitere sechs Jahre rechnen. Das bedeutet: Wir bräuchten insgesamt zehn Jahre, um mit der U-Bahn fahren zu können.
Warum braucht Schönefeld die Verlängerung?
Es geht nicht darum, das neue Entwicklungsgebiet in Schönefeld-Nord zu erschließen. Vielmehr hat die Gemeinde Schönefeld schon über Jahre erhebliche Bedenken bezüglich der gefährlichen Situation, die sich ergibt, wenn der Flughafen unter Höchstlast fliegt. Schon vor Jahren ging man von deutlich über 30 Millionen Fluggästen und einer tendenziellen Steigerung von bis zu 50 Millionen Fluggästen jährlich aus. Der Flughafen hat schon 20.000 Arbeitsplätze mitgebracht und man erwartet weitere 20.000 bis sogar 50.000 Arbeitsplätze im Flughafenumfeld. Schönefeld ist eine Pendlergemeinde, wir haben aktuell zwar 19.500 Einwohner, aber 17.000 Einpendler in Schönefeld. Das bedeutet in der Konsequenz: wir erwarten schlimmstenfalls 35.000 Fahrgäste am Tag am U-Bahnhof Rudow, die dort in den Bus einsteigen wollen, viele von ihnen Richtung Schönefeld. Diese Verkehre sind mit Bus nicht realisierbar, das heißt, der Individualverkehr wird deutlich zunehmen. Wir müssen die Menschen aber vom Auto wegbekommen. Nur so können wir dieses Verkehrschaos, das wir hier in Schönefeld befürchten, abwenden.
Welchen Nutzen haben die anderen Mitglieder des Dialogforums? Warum sollten sie dieses Projekt unterstützen?
Eine grundsätzliche Reduzierung der Verkehre im Flughafenumfeld ist für alle vorteilhaft und zielführend. Vergessen Sie nicht: Am BER fliegen nicht nur Flugzeuge, die haben im Keller einen Riesenbahnhof, einen Verkehrsknotenpunkt im Öffentlichen Personennah- und -fernverkehr. Wenn dort dann auch noch eine U-Bahn hält, kann man dieses Drehkreuz nutzen, um schnell weiter nach Berlin zu fahren. Die U7 geht quer durch ganz Berlin. Das ist ein erheblicher Gewinn für Mobilität ohne Auto. Insofern profitieren nicht nur Schönefeld, sondern auch weitere Kommunen von einer Realisierung.
Der Nutzen ist also offensichtlich. Warum könnte man etwas gegen eine Verlängerung der U7 haben?
Die erste Reaktion ist immer die Frage nach den Kosten. Projekte, die einen hohen dreistelligen Millionenbetrag kosten, machen erst einmal Angst und wecken Vorbehalte, weil man sich vorstellt, was man sich für das Geld noch alles andere leisten könnte. Das ist der Hauptpunkt. Wenn Schönefeld sagen würde, wir zahlen das alles, dann hätten wir die U-Bahn schon hier.
Wie begegnen Sie den Ängsten und Vorbehalten?
Wir müssen für noch mehr Transparenz sorgen. Viele wissen nicht, dass wir die Bundesförderung nutzen könnten. Aus der Bundesregierung gibt es positive Signale, dass man das Projekt wohlwollend unterstützen würde, wenn Antragsvoraussetzungen vorliegen. Das habe ich schriftlich. Wir sprechen also nicht über 800 Millionen Eigenanteil, sondern lediglich über 200 Millionen. Auch das ist noch viel Geld, aber wenn sich die Länder den Betrag teilen und weitere Partner sich noch einbringen, dann werden die finanziellen Anteile immer kleiner. Das wissen viele nicht.
Würde es nicht auch eine Straßenbahn tun? Muss es eine U-Bahn sein?
Viele politische Entscheider stehen auf dem Standpunkt: Wenn überhaupt, dann Straßenbahn, aber eigentlich tut’s ja auch ein Bus und der Flughafen ist ja toll angebunden. Aber das ist so nicht richtig. Wir haben die einmalige Chance, den drittgrößten und bald zweitgrößten Airport der Bundesrepublik mit einer U-Bahn-Direktverbindung mit der Bundeshauptstadt zu verbinden. Das ist auch baulich eine einmalige Chance. Denn das ist nirgends sonst so im Land machbar, auch europaweit ist es kaum möglich, solch eine optimale Anbindung zu schaffen.
Insofern kann ich nur dafür werben, sich hier ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen und dann auch im Sinne der nachfolgenden Generation zu sagen: Ja wir machen’s. Wir machen es einfach, weil es Sinn macht.