Abfallstreife
Jetzt ist Zeit zu handeln
Der Verein Abfallstreife e.V.
Der Wind rauscht in den Zweigen, als flüsterten die Blätter miteinander. Es riecht nach Frühlingserde, Tannenduft und nassem Moos. Sonnenstrahlen fallen durch die lichten Kronen der Bäume, malen auf den Boden. Feldmäuse huschen über eine Ameisenstraße. Ein Käuzchen ruft im Schlaf. Schnell wie ein Blitz sind die Mäuse verschwunden. Auf einer Lichtung, umgeben von Brombeerbüschen, Birkenschösslingen und bunte Plastiktüten, reckt ein Reh mit seinem Jungen kurz den Kopf in die Höhe, dann grasen die beiden scheinbar ungestört weiter. Das Kitz steckt seinen Kopf durch den Henkel der roten Tüte. Gleich neben ihnen läuft eine Autobatterie leise gluckernd aus, entleert sich in den Ameisenhügel. Ein junger Igel schnuppert neugierig an einer Konservendose, die verführerisch für ihn duftet, und kriecht tief in sie hinein. Bauschutt liegt gleichmäßig zwischen den jungen Eschen verteilt, Mineralfasern lösen sich im strahlenden Sonnenlicht langsam auf...
Käme jetzt als nächstes ein Kampfroboter durch ein Zeitreiseportal, wüsste jeder: Achtung, es ist Zeit zu handeln. Doch dies ist kein Szenario aus einem Weltuntergangsfilm. So – oder so ähnlich – sieht es in unserer heimischen Natur aus. Hier und jetzt ist Zeit zu handeln! Das wusste Maria – auch ohne Terminator. Also sammelte sie in KW und Umgebung Mitstreiterinnen und Mitstreiter um sich. Gemeinsam mit ihnen gründete sie vor sieben Jahren den Verein Abfallstreife.
"Es ist ein globales, generelles Problem."
So verschieden sie sind, gemeinsam ist ihnen der Wunsch, etwas zu bewegen. Dietrich, 71 und Pensionär, sagt: „Es ist befriedigend, etwas sauber zu machen.“ „Mich hat auch geärgert, dass so viel Müll herumliegt“, sagt Christopher, „ich bin zwei Jahre durch Südostasien gereist. Dort gibt es keine Recyclingsysteme, zum Teil exportieren wir unseren Müll dorthin. Da ist mir das Müllproblem nach und nach immer bewusster geworden. Zurück in Deutschland wollte ich etwas tun, da auch unsere heimische Natur leidet.“ Der 35-jährige Maschinenbauingenieur, fährt fort: „Als Verein kommt man besser voran und kann in der Gemeinschaft mehr bewegen.“
Während Dietrich und Christopher in KW wohnen, kommt Tino aus Gosen. Der 32-jährige Vertriebsmitarbeiter sagt lächelnd: „Ich habe keinen Vorteil davon, hier sauber zu machen, ich wohne woanders. Dennoch: es ist ein globales, generelles Problem. Beispielsweise Mikroplastik verbreitet sich überall, über das Wasser und die Luft. Es ist schädlich und vergiftet uns alle.“
Der Name des Vereins ist mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Denn bei der Abfallstreife sind keine Hilfssheriffs mit Nörgel- und Besserwisser-Mentalität unterwegs. Es sind Macher, die nicht reden, sondern handeln. Und die aufklären. Maria erzählt: „Wir sammeln nicht nur Abfall. Wir wollen informieren, z.B. auf Festen.“ Kinder führen sie spielerisch an die Themen Abfall in der Natur und Mülltrennung heran. Sie dürfen beim Abfallangelspiel Altpapier, Kunststoffverpackungen und Restmüll aus einem „See“ angeln und in Eimer sortieren.
„Kinder sind begeisterungsfähig, hier können wir etwas bewegen.“
Überhaupt die Kinder: hier muss alles beginnen. „Kinder sind begeisterungsfähig, hier können wir etwas bewegen“, sagt Christopher, „Aufklärung ist das einzig Sinnvolle“. Daher sind Maria und ihre Freunde immer wieder auch in Kindertagesstätten und Schulen. „Es ist ein Mix aus Theorie und Praxis. Die Kita-Kinder lernen die Tiere des Waldes kennen und wie achtlos weggeworfener Müll ihnen schaden kann. Dann basteln wir; Stichwort Upcycling.“ So erfahren die Kinder, was man aus vermeintlich wertlosem Abfall machen kann und es entstehen beispielsweise Bienenhotels aus alten Dosen und PET-Flaschen. Für die älteren Kinder und Jugendlichen werden u. a. die Entstehung und Auswirkungen von Mikroplastik betrachtet. Ebenso unterstützen sie bei Abfallsammlungen im Umkreis der Schulen und Kitas.
Vereinsleben bedeutet mehr als nur den Vereinszweck
Bei den monatlichen großen Sammelaktionen arbeitet Abfallstreife e.V. oft mit anderen Vereinen zusammen, wie Orts – oder Angelvereinen. „Es ist großartig wie viele Menschen sich bei den Aktionen zusammenfinden und Unmengen von Abfall aufsammeln, gemeinsam erreichen wir mehr“, sagt Christopher. Tino fährt fort: „Wir schmücken die Sammeltermine aus, sitzen hinterher zusammen, essen gemeinsam, lernen andere kennen. Vereinsleben bedeutet eben mehr als nur den Vereinszweck. So finden wir Gleichgesinnte.“
Jeder ist gefragt
Bleibt die Frage: Warum schütten Menschen ihren Müll in den Wald, obwohl um die Ecke der Entsorgungshof ist? Warum werfen Spaziergänger ihren Abfall in die Natur, statt ihn mit nach Hause zu nehmen? Warum veranstalten Jugendliche Zielwerfen in den See mit Flaschen, obwohl das auch mit Steinen oder Stöcken gehen würde?
Eine allgemein gültige Antwort darauf haben die Leute von der Abfallstreife nicht. Tino versucht es dann doch mit einer Antwort: „Es ist ein Mix aus Unwissenheit, Bequemlichkeit, Ignoranz. Aus den Augen, aus dem Sinn. Das ist eine gefährliche Kombination.“
Jeder ist gefragt, jeder kann etwas bewegen. Es ist ganz einfach: das nächste Papier, das man auf dem Boden findet, kann man in den nächsten Mülleimer werfen.
Wer mehr, bzw. bei der Abfallstreife mitmachen möchte, wendet sich an Maria Böhme unter 01 52/31 83 32 72 oder kontaktiert den Verein über www.abfallstreife.de oder über www.facebook.com/abfallstreife/.